Interviews
Abhängigkeit reduzieren
Digitale Souveränität in Deutschland und Europa
Die Welt ist im Wandel: Die westliche Wertegemeinschaft verliert ihren Kompass, Vertrauen wird auf die Probe gestellt, bislang bewährte Partnerschaften stehen in Frage. In diesem Spannungsfeld gewinnt die eigene Souveränität an Bedeutung. Der Behörden Spiegel sprach mit Michael Barth, Abteilungsleiter Strategy bei genua GmbH, darüber, wie Deutschland und Europa ihre digitale Souveränität verbessern können – und welche Rolle heimische IT-Sicherheitsanbieter dabei spielen.

Behörden Spiegel: Aktuelle sicherheitspolitische Entwicklungen unterstreichen die steigende Bedeutung von digitaler Souveränität. Wie gut sind Deutschland und die Europäische Union hier aufgestellt?
Michael Barth: Deutschland und die EU stehen vor Herausforderungen, um digitale Souveränität zu erreichen. Eine davon ist die zum Teil große Abhängigkeit von außereuropäischen Technologieanbietern zum Beispiel bei Prozessoren, Betriebssystemen und Cloud-Diensten. Mehrere Studien und auch die jüngsten kleinen Anfragen im Bundestag unterstreichen das.
Doch es gibt Möglichkeiten, unmittelbar die eigene digitale Souveränität zu verbessern. Etwa, indem Behörden, KRITIS-Unternehmen und die geheimschutzbetreute Industrie für ihre digitale Sicherheit verstärkt Produkte heimischer IT-Security-Hersteller einsetzen.
Anbieter wie die genua GmbH liefern Schlüsseltechnologien, die in Deutschland nach höchsten Qualitätsstandards entwickelt werden und über Zulassungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik verfügen. Damit lassen sich IT-Netzwerke auch dann zuverlässig absichern, wenn man bei einigen Technologien notgedrungen auf außereuropäische Anbieter zurückgreifen muss.
Behörden Spiegel: Prozessoren, Betriebssysteme, Cloud-Dienste oder Kommunikationsinfrastrukturen: Ist es angesichts der Dominanz ausländischer Anbieter in diesen Bereichen überhaupt möglich, digitale Souveränität zu erreichen?
Barth: Ja – allerdings führt eher ein Marathon als ein Sprint zum Ziel. Die Europäische Union bietet als großer Binnenmarkt mit einheitlicher Regulierung enorme Chancen, eigene Lösungen zu entwickeln und die Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern zu verringern.
Ein Beispiel ist Gaia-X, also der Aufbau einer souveränen Dateninfrastruktur für Europa. Sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die Europäische Union haben sich technologische Souveränität zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit zum Ziel gesetzt. Vor dem Hintergrund der aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklungen gilt es jetzt, von der Bekenntnispolitik zur Umsetzung zu kommen.
Wichtig ist, im Blick zu behalten, was eine realistische Definition von digitaler Souveränität umfasst. Digitale Technologien – Hardware und Software – beruhen auf internationalen Standards. Die Herausbildung unterschiedlicher Technologiestacks, wie sie derzeit zwischen den USA und China stattfindet, widerspricht diesem Grundgedanken und kommt einer digitalen Abkopplung gleich – damit sind Risiken verbunden. Hier muss Europa seinen eigenen Weg finden, wenn wir in Punkto Digitalentwicklungen nicht weiter ins Hintertreffen geraten wollen. Dieser Weg wird nicht der einer europäischen Abkopplung sein. Europa kann auch selbst Standards setzen, sollte dies aber im Einklang mit der globalen IT-Entwicklung tun. Das bietet auch Chancen für größere Absatzmärkte.
Zum Thema Dominanz: Es muss uns als Europa gelingen, partnerschaftlich im Austausch mit anderen Technologieregionen zu stehen, auch um von internationaler Innovation zu profitieren. Dazu müssen wir in der Lage sein, auf Augenhöhe mit anderen Nationen zu sprechen. Voraussetzung dafür ist eine Industriepolitik, die technologische Souveränität als sicherheitspolitisches Asset betrachtet.
Dieser Weg wird nicht der einer europäischen Abkopplung sein. Europa kann auch selbst Standards setzen, sollte dies aber im Einklang mit der globalen IT-Entwicklung tun.
Behörden Spiegel: Was muss geschehen, damit Deutschland und die EU mehr Unabhängigkeit im digitalen Raum erlangen? Strengere Regulierungen bzw. Vorschriften?
Barth: Regulierungen wie NIS2 oder der CRA sind ein Mittel der Wahl seitens der Europäischen Union, um die Standards insgesamt anzuheben. Gleichzeitig wäre es eine Überlegung wert, wie wir bei den hohen Summen, die beispielsweise die öffentliche Verwaltung investiert, in der Beschaffung den Stellenwert von Vertrauenswürdigkeit, Verfügbarkeit und auch den Sekundärnutzen von Investitionen in nationale und europäische Innovationsfähigkeit zur Bewertung von Angeboten heranziehen könnten.
Im Bereich des Geheimschutzes bietet das europäische Vergaberecht schon heute die Möglichkeit, den Kreis der Anbieter einzuschränken, was sich mit Blick auf aktuelle Entwicklungen auch durchaus als sinnvoll erweist. Gerade in solch sensiblen Bereichen sollte keine Abhängigkeit von potenziell nicht zu kontrollierenden Akteuren bestehen.
Behörden Spiegel: Gibt es Schlüsseltechnologien, die auf mehr digitale Souveränität von Behörden und Unternehmen einzahlen? Und wie zukunftssicher sind diese?
Barth: Ohne Frage zählen vertrauenswürdige IT-Sicherheitsprodukte zu den Schlüsselprodukten für mehr digitale Souveränität. Hier ist es wichtig, am Puls der Zeit zu bleiben. genua evaluiert daher mit seiner Forschungs- und Innovationsabteilung neuste Technologietrends und setzt sie sinnvoll in seinen Produkten ein.
Anwender können so sicher sein, auch für zukünftige Herausforderungen gerüstet zu sein. Ein Beispiel dafür sind quantenresistente Schlüsselübertragungsverfahren in unseren Produkten, mit denen Nutzer bereits heute gegen Angriffe mit Quantencomputern von morgen gewappnet sind. Darüber hinaus trägt genua der hohen Nachfrage nach Cloud-Services Rechnung und entwickelt zunehmend virtualisierte Produkte, die virtuelle IT-Infrastrukturen auch in Cloud-Umgebungen absichern können. Auch die virtualisierten Produkte erfüllen höchste Anforderungen: So hat unsere genugate Virtual als erste und bislang einzige virtualisierte Firewall eine Zulassung des BSI erhalten. Künstliche Intelligenz ist eine weitere wichtige Technologie, die verstärkt in IT-Security-Produkten zum Einsatz kommt.
Behörden Spiegel: Wie können die IT-Sicherheitsprodukte der genua GmbH Behörden dabei unterstützen, ihre digitale Souveränität zu verbessern?
Barth: genua liefert mit BSI-zugelassenen Lösungen für VPN, Firewalling und Zero Trust Access eine solide, zuverlässige Basis für hochsichere Behördennetze. Als Unternehmen der Bundesdruckerei-Gruppe ist genua dem Staat verpflichtet und es erfolgt keine Einflussnahme durch Drittstaaten.
genuas IT-Sicherheitslösungen werden in Deutschland nach höchsten Standards und etablierten Richtlinien wie Security by Design entwickelt, in Deutschland gefertigt und von Deutschland aus supportet. Dadurch sind wir als genua ein wichtiger Baustein für mehr digitale Souveränität bei Behörden.
Der Beitrag ist im Original erschienen in: Behörden Spiegel, Ausgabe v. 25.03.2025